“Er hat durch seine gesellige Art zum Betriebsklima beigetragen und für die Belange der Belegschaft bewies er Einfühlungsvermögen.” Das klingt doch ganz freundlich und nach einem durchaus netten und kompetenten Mitarbeiter. Aber falsch: Was hier im Arbeitszeugnis steht, ist, dass die betreffende Person gerne mal einen über den Durst trinkt und sich mit seinen Kolleginnen vergnügte. Ein Arbeitszeugnis in Deutschland muss “wohlwollend formuliert sein und dem Arbeitnehmer das berufliche Fortkommen nicht erschweren”. Deswegen haben Chefs und Führungskräfte sich Codes und Beschreibungen ausgedacht, um im allerfreundlichsten Hochdeutsch den Ex-Mitarbeiter zu bewerten, auch negativ. In diesem Artikel stehen die gängigsten Formeln.
1. Die Arbeitsbereitschaft
Note 1: Er/Sie zeigte stets ein sehr hohes Maß an Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft.
Note 2: Er/Sie zeigte stets eine hohe Leistungsbereitschaft und Pflichtauffassung.
Note 3: Er/Sie zeigte Einsatzbereitschaft.
Note 4: Er/Sie zeigte auch Einsatzbereitschaft.
Note 5: Fehlt. Die Aussage über die Arbeitsbereitschaft wird durch beredetes Schweigen kommentiert.
2. Kompetenz
Note 1: Er/Sie verfügt über ein sehr gutes analytisch-konzeptionelles und zugleich pragmatisches Urteils- und Denkvermögen.
Note 2: Er/Sie verfügt über ein gutes analytisch-konzeptionelles und zugleich pragmatisches Urteils- und Denkvermögen.
Note 3: Er/Sie bewies Belastbarkeit und Flexibilität.
Note 4: Er/Sie verfügte über eine ausreichende Arbeitsbefähigung.
Note 5: Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für diese Funktion gehörten Eigenschaften wie Belastbarkeit, Flexibilität und analytisches Denkvermögen.
3. Fachwissen:
Note 1: Aufgrund seines umfangreichen und besonders fundierten Fachwissens erzielte er/sie immer weit überdurchschnittliche Erfolge.
Note 2: Er/Sie wendete ihre guten Fachkenntnisse laufend mit großem Erfolg im Arbeitsgebiet an.
Note 3: Er/Sie besitzt ein solides Fachwissen in seinem Fachgebiet.
Note 4: Er/Sie besitzt das erforderliche Fachwissen.
Note 5: Er/Sie zeigte bei der Beschäftigung mit den ihm übertragenen Aufgaben das notwendige Fachwissen, das er wiederholt erfolgversprechend einsetzten.
4. Die Leistungen:
Note 1: Seine/Ihre Leistungen fanden stets unsere vollste Zufriedenheit.
Note 2: Seine/Ihre Leistungen fanden stets unsere volle Zufriedenheit.
Note 3: Seine/Ihre Leistungen fanden unsere volle Zufriedenheit.
Note 4: Seine/Ihre Leistungen fanden unsere Zufriedenheit.
Note 5: Aufgaben, die ihm/ihr übertragen wurden, erledigte er in der Regel zu unserer Zufriedenheit.
5. Arbeitsweise
Note 1: Die Aufgaben führte er immer äußerst effizient, sorgfältig und selbständig aus.
Note 2: Die Aufgaben führte sie immer effizient, sorgfältig und selbständig aus.
Note 3: Die Aufgaben führte er selbständig, effizient und sorgfältig aus.
Note 4: Die Aufgaben wurden mit Sorgfalt und Genauigkeit ausgeführt.
Note 5: Die Aufgaben wurden im allgemeinen mit Sorgfalt und Genauigkeit ausgeführt.
6. Ergebnisse
Note 1: Er/Sie lieferte stets sehr gute Arbeitsergebnisse und hat die selbst gesetzten sowie die vereinbarten Ziele, auch unter schwierigsten Umständen, stets erreicht und meist sogar übertroffen.
Note 2: Er lieferte stets gute Arbeitsergebnisse und hat die selbst gesetzten sowie die vereinbarten Ziele, auch unter schwierigen Umständen, stets erreicht und oft sogar übertroffen.
Note 3: Sie lieferte gute Arbeitsergebnisse und hat die vereinbarten Ziele erreicht.
Note 4: Er hat vorgegebene Ziele in zufriedenstellendem Maße erreicht.
Note 5: Sie hat stets mit Nachdruck daran gearbeitet, die vorgegebenen Ziele zu erreichen.
6. Bedauern und Zukunftswünsche
Note 1: Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden sehr, danken ihm/ihr für stets sehr gute Leistungen und wünschen ihm/ihr auf dem weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin viel Erfolg.
Note 2: Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden, danken ihm/ihr für die stets guten Leistungen und wünschen ihm/ihr auf dem weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin Erfolg.
Note 3: Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden, danken ihm/ihr für die guten Leistungen und wünschen ihm/ihr auf dem weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und Erfolg
Note 4: Wir bedanken uns für seine/ihre Mitarbeit und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute.
Note 5: Wir wünschen ihm/ihr alles nur erdenklich Gute, insbesondere auch Erfolg bei den weiteren Bemühungen.
Allerdings müssen diese Floskeln immer auf den Beruf abgestimmt werden, und auch nicht jedes Arbeitszeugnis wird nach diesen Codes erstellt. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet den Code zu verwenden, er kann auch einfach eine freundliche Empfehlung schreiben wie z.B. „Sie erzielt sehr gute Ergebnisse.“ Aufpassen sollte aber auch bei weiteren Floskeln, wie bei “er/sie hatte für seine Arbeit Verständnis”: Dieser Satz ist zwar kodiert, klingt aber so schön ironisch, dass man sich einfach erschließen kann was er heißt.
Hier noch ein paar Floskeln, die auf das Verhalten des Mitarbeiters eingehen:
- “Wir schätzten ihre/seine umgängliche kollegiale Art” – Unbeliebt bei den Mitarbeitern
- “Durch ihre/seine Geselligkeit trug sie/er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei” – Übertriebener Alkoholkonsum
- “… war wegen ihrer/seiner Pünktlichkeit stets ein gutes Vorbild” – Völliges Versagen
- “Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt”- Kündigung durch den Arbeitgeber
Dieser Beitrag wurde geschrieben von Eva Mattern, Content Editor bei Springest.